Eine Nacht mit der S.L.I.G.
Ich verbinde ja gerne das Nützliche mit dem Angenehmen, das gelingt mal mehr und mal weniger. Im vorliegenden Fall ging es ursprünglich eigentlich nur um ein paar Fotoshootings mit dem Privatfuhrpark von Christian Rühle, einem der Geschäftsführer von OSCW (Oldschool Custom Works). Wir telefonierten im Vorfeld bereits miteinander, wann es zeitlich wohl am besten wäre. Christian meinte schließlich: „Komm doch einfach schon am Samstag vorbei, da ist die Stuttgarter Night Cruise (Kurz SNC)!“ Da musste ich nicht lange überlegen: eine gute Gelegenheit, mal wieder über den Tellerrand zu schauen um zu sehen, was in den anderen Städten so abgeht. München ist ja leider bislang keine feste Adresse für ein anständiges und regelmäßiges Cruising. Also ab nach Stuttgart, genauer gesagt erstmal in Christians private Werkstatt, schließlich mussten wir ja auch noch ein adäquates Fahrzeug aus dem umfangreichen Fundus für die Cruise Night auswählen. Meine Wahl fiel auf den 1959 Chevrolet Impala, den wir euch auch hier in dieser Ausgabe vorstellen. Unter anderem lockte noch ein 1964 Chevrolet Impala SS Cabrio, deutsche Erstauslieferung, doch dazu mehr in einer der kommenden Ausgaben.
Wir fuhren also los in Richtung Kentucky Fried Chicken, nicht etwa um zu essen, nein: hier ist der Treffpunkt für die SNC. Unterwegs erzählte mir Christian noch ein wenig über die Entstehung der Cruise Night. Das sich in und um die schwäbische Metropole vieles um das geliebte Automobil dreht, bedarf keiner Erklärung und scheint wenig verwunderlich. Deshalb ist es nur eine logische Konsequenz, dass sich auf diesem fruchtbaren Nährboden auch exotische Früchte prächtig entwickeln. So geschehen mit der Cruise Night, die jeden Samstag stattfindet – je nach Wetterlage mal mit mehr, mal mit weniger Teilnehmern. Jeden Samstag? Richtig gelesen, seit einigen Jahren trifft man sich jeden Samstag, um sich auszutauschen und zu späterer Stunde durch die Stuttgarter Innenstadt zu cruisen. Der erste Treffpunkt, eine Tankstelle an einer der großen Ausfallstraßen, musste schnell dem jetzigen größeren weichen, da die regelmäßige Teilnehmerzahl dies einfach erforderte.
Am Treffpunkt angekommen, war mir schnell klar, dass sich hier schon etwas Besonderes abspielt. Hier standen sie nun in Eintracht zusammen: Muscle Cars, Hot Rods, Lowrider und ein paar Customs. Auch einige originale US-Oldtimer fanden sich dazwischen, alles kein Problem, denn die Mischung macht es. Wir parkten den 59er inmitten der bereits anwesenden S.L.I.G.-Fahrzeuge – die S.L.I.G. ist die spaßeshalber gegründete Stuttgarter Lowrider Interessen Gemeinschaft. Mit diesen feinen Herren und ihren Fahrzeugen brachen wir schließlich auch zum Cruising auf. Das Cruisen folgt keinem festen Schema: Wer fahren will, fährt. Manche bleiben auch auf dem Parkplatz oder fahren eine andere Route, hier gibt es keine Regeln und Zwänge. Einzige ungeschriebene Regel ist die Einhaltung der richtigen Geschwindigkeit, die sich in Stuttgart in der Einheit „Lars“ messen lässt. 1 Lars ist die optimale Geschwindigkeit von einer Ampel zur nächsten, die man benötigt, um wieder an einer roten Ampel stehen bleiben zu können. Cruising eben, hier geht es sehr langsam und gemütlich zu. Entspannend, abseits jeglicher Hektik und das mitten in der Innenstadt. Das erstaunliche: Auch wenn man mal mit 15 km/h drei Fahrspuren gleichzeitig blockiert, wird vom normalen Verkehr nicht gleich gehupt und gedrängelt. Die richtige Sounduntermalung zum Abend kam in Form von klassischem 80s Hip-Hop aus den Lautsprechern des 59ers. Also alles rundherum stilecht und gelungen, ein dauerhaftes breites Grinsen meinerseits war Zeugnis dieses Abends. So cruisten wir einige Stunden durch die Innenstadt, stoppten mal hier und mal dort und genossen einfach die Zeit.
Mein Fazit des Ganzen: Leute, trefft euch und fahrt mit euren Kisten. Organisiert Cruisings in jeder Stadt und auch auf dem Land. Es gibt nichts Schöneres! Und wenn ihr in Stuttgart seid, vergesst nicht: Samstag ist Night Cruise!
Fotos und Text: Michael Schmidbauer

Klassische Cruisingsituation in Stuttgart: 1963 Chevrolet Impala hinter einem 1966 Chevrolet Caprice.

1966 Chevrolet Caprice mit Airridesystem und Venecian Blinds in den Straßen der Stuttgarter Innenstadt.

Die drei Rücklichter teilte sich der Caprice 1966 mit dem Chevrolet Impala. Zusätzliche Chromleisten werten diese gegenüber denjenigen des sportlicher gestalteten Models auf.

Christian Rühle von OSCW hat diesen feinen 1959 Chevrolet Impala aufgebaut. Das Coupé entstand aus einem Flattop Chevrolet mit den Coupé Teilen eines Pontiac Bonneville. Die Metalflake Innenausstattung stammt zum Teil von einem Buick Riviera.

Three in a row: 1967 Cadillac Convertible, 1963 Chevrolet Impala Coupé und 1966 Chevrolet Caprice Coupé!

Das Design der Cadillacs, von 1965 bis einschließlich 1968, setzte auf stehend übereinander angeordnete Doppelscheinwerfer.

Der Stuttgart Night Cruise beim Zwischenstop auf einem Platz in der Innenstadt. Von Vorne nach hinten: Pontiac Firebird, Chevrolet Malibu, Cadillac Convertible, Chevrolet Impala, Chevrolet Caprice, Chevrolet Impala.

Der Caprice wurde 1965 zunächst nur als edel ausgestattet 4-door hardtop angeboten. Aber 1966 war er als Coupé mit einer völlig neuen, formaler wirkenden, Dachform erhältlich.

Ein 1928 Ford Model A Sedan als traditioneller Hot Rod umringt von moderner aufgebauten Street Rods.